Im demokratischen Rechtsstaat wird die "Herrschaft des Rechts", wie sie etwa in Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes normiert ist, durch eine funktionsfähige, unabhängige und unparteilich arbeitende Justiz gesichert. Die Gerichte müssen für die Bürger:innen effektiv zugänglich sein und ihre Entscheidungen in einem fairen Verfahren, diskriminierungsfrei sowie in angemessener Zeit treffen.
Auch wenn die bundesdeutsche Justiz im europäischen Vergleich (und auch international) hohes Ansehen genießt,
In unserem Beitrag stellen wir zunächst die (menschen-)rechtlichen Gewährleistungen eines gleichen Zugangs zum Recht dar, worauf ein Überblick der bestehenden internationalen Forschung zum tatsächlichen Rechtszugang folgt. Anschließend betrachten wir einige Konzepte und konzeptuelle Leerstellen, die im Fokus unseres Forschungsinteresses stehen.
Recht auf Zugang zum Recht
Zwar findet sich der Terminus "Zugang zum Recht", im Englischen: "Access to Justice", ausdrücklich nur in einigen jüngeren Menschenrechtskatalogen, wie etwa in Artikel 13 der UN-Behindertenrechtskonvention und in Artikel 47 Satz 3 der Europäischen Grundrechtecharta. Er wird aber als zentrale Gewährleistung des internationalen Menschenrechtsschutzes und der Rechtsstaatlichkeit (Rule of Law) vorausgesetzt.
Im Kern geht es um den Anspruch auf eine verfahrensgerechte, diskriminierungsfreie und materiell richtige Entscheidung.
Eine entsprechende Garantie effektiven Rechtsschutzes enthält auf Ebene des nationalen Verfassungsrechts Art. 19 Abs. 4 GG bei Verletzung von subjektiven Rechten durch die "öffentliche Gewalt". Für die Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Rechtsstaatsprinzip eine entsprechende Garantie als "Justizgewährleistungsanspruch" abgeleitet.
Jedoch setzen die genannten Gewährleistungen zum größten Teil erst dann ein, wenn die Gerichte von Bürger:innen in Anspruch genommen, das heißt Anträge gestellt und damit Verfahren eingeleitet werden. Das Vorfeld einer formellen Befassung von Gerichten – also die tatsächlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rechtsinstanzen – scheint damit aus dem Blickfeld der Gewährleistung zu fallen. Allerdings nicht vollständig: So hat das Bundesverfassungsgericht das Gebot der "weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes", insbesondere durch Prozesskostenhilfe,
Das wird noch deutlicher beim Blick auf die menschenrechtliche Gewährleistung des gleichen Rechtszugangs. Hier beziehen sich die vertraglichen Umsetzungspflichten ausdrücklich auf die faktische Wirksamkeit, also die reale Zugänglichkeit der Rechtsinstanzen für alle Betroffenen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, effektive Mechanismen und Verfahren für Beschwerden bei Rechtsverletzungen vorzusehen.
Forschung zur Mobilisierung von Recht
Während die Forschungen zur Rechtsmobilisierung im deutschsprachigen Raum – im Zusammenhang mit der "Krise" der Rechtssoziologie
In der internationalen Forschung zur Rechtsmobilisierung lassen sich im Wesentlichen zwei Stränge ausmachen.
Die beiden skizzierten Forschungsstränge stehen nicht isoliert nebeneinander. Sie haben einen gemeinsamen Ursprung in der Mobilisierungsforschung der 1960er und -70er Jahre
Rechtsmobilisierung im Vorfeld der Justiz
Unter welchen Umständen mobilisieren Bürger:innen ihre Rechte, wann rufen sie Rechtsinstanzen und Gerichte an – und wann nicht? Größere quantitative Erhebungen innerhalb der vergangenen Dekaden, die einigermaßen verallgemeinerungsfähige Aussagen ermöglichen, liegen zu England und Wales (1999), den Niederlanden (2004) sowie Kanada (2009) vor.
Allerdings kann eine sozial besonders ungleiche Inanspruchnahme des formellen Justizsystems durchaus als Indiz für eine Verletzung des Rechts auf gleichen Rechtszugang angesehen werden. Erwiese sich die Justiz in den bekannten Worten Erhard Blankenburgs hauptsächlich als ein "Dienstleistungsbetrieb für die Geschäftswelt"
Auch wenn es in den bestehenden Studien zum Zugang zum Recht keine tiefgehenden Analysen in Bezug auf die soziale Kategorie "race" oder "Ethnizität" gibt, weisen beide Studien zudem darauf hin, dass nicht-weiße Personen in den betreffenden Staaten seltener Recht in Anspruch nehmen und es spezifische Barrieren gibt, die dies verhindern, ohne jedoch genauer auf dahinter liegende Mechanismen oder Strukturen einzugehen.
Kaskaden der Rechtsmobilisierung
Von einer Mobilisierung des Rechts im weiteren Sinne wird auf der ersten Stufe eines kaskadenförmig zu denkenden Mobilisierungsschemas gesprochen, wenn bei einem grundsätzlich justiziablen Problem überhaupt auf Recht Bezug genommen, es also thematisiert wird.
Es kommt dabei auch maßgeblich auf die Art des Problems an. Sehen sich Personen einem staatlichen Rechtsakt ausgesetzt, etwa einem ablehnenden Asylbescheid, einer Ordnungsmaßnahme oder der Versagung von Sozialleistungen, ist das Problem von vornherein "verrechtlicht". Den betroffenen Personen bleibt hier also in der Regel keine andere Möglichkeit, als einen Rechtsbehelf zu ergreifen, also das Recht reaktiv zu mobilisieren – oder, was in der weit überwiegenden Zahl der Fälle passiert, passiv zu bleiben und den staatlichen Rechtsakt hinzunehmen.
Typische Problemlagen im Bereich des Privat- oder Arbeitsrechts, etwa Beschwerden von Verbraucher:innen über Produkte, Streitigkeiten zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen über die Miethöhe oder Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen in einem Beschäftigungsverhältnis, verbleiben hingegen zunächst häufig in einer nicht-rechtlichen Sphäre und setzen mehrere aktive Stadien der Mobilisierung voraus. Nach einem gängigen Konfliktverarbeitungs- und Transformationsmodell
Weitgehend einig ist sich die Forschung darin, dass die Mobilisierung von Recht instrumentell erfolgt, also von den Betroffenen strategisch eingesetzt wird.
So wurde in der rechtssoziologischen Forschung herausgearbeitet, dass bei fortbestehenden (engen) persönlichen Sozialbeziehungen eine Rechtsmobilisierung (in der Regel bereits die Thematisierung des Rechts) unterbleibt und, wenn überhaupt, erst mit beziehungsweise nach Beendigung der Sozialbeziehung (Kündigung des Arbeitsverhältnisses, Scheidung) erfolgt. Bei einmaligen und anonymen Sozialbeziehungen (wie etwa Schadensersatzforderungen bei Verkehrsunfällen, Verbraucherproblemen oder Sozialleistungsansprüchen) ist die Wahrscheinlichkeit der Rechtsmobilisierung höher, wenn ein fortbestehendes Interesse vorhanden ist und die Erfolgsaussichten als gut eingeschätzt werden.
One Shotters vs. Repeat Players
In diesem Zusammenhang kann auch das Konzept von Marc Galanter fruchtbar gemacht werden, der 1974 in einer Studie feststellte, dass erfolgreiche Akteur:innen im juristischen Feld vor allem "repeat players", also "Wiederholungsspieler:innen", sind. Diese verfügen über die notwendigen Ressourcen und Kenntnisse der Rechtspraxis, insbesondere der Entscheidungspraxis, und können sich darauf einstellen. Für sie kommt es auf das Ergebnis im Einzelfall nicht an.
Fazit
Es lässt sich also festhalten, dass es deutliche Diskrepanzen zwischen dem rechtlichen Anspruch auf Zugang zum Recht und der tatsächlichen Inanspruchnahme von Recht gibt. Internationale Studien haben aufgezeigt, dass Rechtsmobilisierung ein komplexer Prozess ist, der mit verschiedenen Hürden verbunden sein kann, die für gesellschaftlich verschieden positionierte Gruppen und Personen unterschiedlich hoch sind. Für Deutschland wiederum mangelt es an empirischen Studien zum tatsächlichen Rechtszugang, was weitere Forschung dringend erforderlich macht.
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