Die Aufgabe der Philosophie
Die Philosophie der Gegenwart gleitet immer mehr ins Seichte ab. Sie hält die Erkenntnis einer objektiven Wahrheit für unmöglich und gibt sich mit subjektiven Meinungen zufrieden. Statt Gedanken und Begriffe zu entwickeln, stützt sie sich auf die unmittelbare Wahrnehmung, statt das Wirkliche mit dem Verstand zu ergründen, spekuliert sie über Jenseitiges und leere Ideale. Sie erkennt nicht die Substanz, die Idee hinter den Dingen, die wirklich – und damit vernünftig – sind. In letzter Zeit wird in Deutschland viel über Verfassung und Vernunft geschwätzt, sodass man die Worte kaum mehr in den Mund nehmen mag. Dagegen sollte sich die Überzeugung ausbreiten, dass philosophische Erkenntnis in diesem Bereich nicht aus Nützlichkeits- und Zweckerwägungen und schon gar nicht aus Gefühl, Liebe und Begeisterung resultiert, sondern nur aus Begriffen. Diese Abhandlung will nicht aufzeigen, wie ein Staat sein soll. Ihr Ziel ist es vielmehr, den Staat als etwas in sich Vernünftiges zu begreifen.
Der freie Wille
Der schrankenlose Wille setzt sich auf negative Weise von jeder Beschränkung ab, die den Einzelnen in seiner Entfaltung hemmt. Er strebt die absolute Freiheit an und zielt auf die Zerstörung aller bestehenden Ordnungen. Eine zweite Art der Willensfreiheit, wie sie etwa Kant vorschwebt, ist die Willkür: Der Einzelne entscheidet sich in einem Akt der Reflexion bewusst für oder gegen bestimmte Handlungen, die ihm seine Neigungen vorgeben, wobei die Wahl etwas Zufälliges, eben Willkürliches, hat. Der wahrhaft freie Wille dagegen nimmt die Beschränkung und natürliche Bestimmtheit des Ich durch Triebe, Begierden und Neigungen als Teil seiner Identität an. Er gründet, wie bei Kant, in der Reflexion seiner selbst, in menschlichem Denken, nicht in subjektivem Gefühl und in Leidenschaft. Aber er begreift die Beschränkungen der Realität nicht als etwas Fremdes, Äußerliches, sondern als Ausdruck seiner selbst. Wahre Willensfreiheit besteht darin, im dialektischen Prozess den Widerspruch zwischen dem Subjektiven, Besonderen und dem Objektiven, Allgemeinen aufzuheben, sodass das eine im anderen aufgeht. Diese Entwicklung vollzieht sich in verschiedenen Stufen, vom abstrakten Recht bis zur Idee der Sittlichkeit, die sich in der Familie, in der bürgerlichen Gesellschaft und schließlich im Staat manifestiert.
Der Übergang vom abstrakten Recht zur Moralität
Das abstrakte Recht, das das Individuum als rechtsfähige Person anerkennt und es auffordert, die anderen Individuen als rechtsfähige Personen zu respektieren, ist zunächst negativ bestimmt. Es enthält Beschränkungen und Rechtsverbote, das heißt keine positiven Rechtsgebote, und behandelt Fragen des Besitz- und Vertragsrechts. Zum Besitz einer Person, der ihrem freien Willen unterliegt, zählen ihr Leben, ihr Körper und ihr Eigentum. Das abstrakte Recht ist ein Zwangsrecht, insofern es von außen gesetzt ist, den freien Willen aber im Grunde nicht bezwingen kann. Verbrechen gegen den Besitz einer Person müssen bestraft werden – nicht weil sie Schaden anrichten, sondern weil sie das Recht als Recht verletzen. Strafe ist die Aufhebung des Unrechts, eine zunächst gerechte Form der Rache. Und doch ist sie willkürlich, solange sie die Handlung eines einzelnen Willens und Ausdruck eines subjektiven Interesses ist. Die Überwindung dieses Gegensatzes von einzelnem und allgemeinem Willen, die Aufhebung des Subjektiven im Objektiven bezeichnet den Übergang vom abstrakten zum konkreten Recht, von der rechtsfähigen Person zum moralischen Subjekt.
„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ (S.16)
In dieser Sphäre der Moralität ist der besondere Wille des Einzelnen mit dem Willen anderer identisch. Das Subjektive ist nun zum Allgemeinen, zum objektiven Maßstab, erhoben. Das Wohl des Einzelnen steht immer in Beziehung zu dem Wohl vieler anderer. Die moralische Gesinnung in Form des Gewissens bringt den Menschen dazu, das zu wollen, was gut ist. Eine sogenannte moralische Absicht rechtfertigt nicht eine unrechtliche Handlung, und das Glück des Einzelnen kann nicht gegen das Allgemeinwohl geltend gemacht werden. Das Wohl der Allgemeinheit ist absolut, hat objektive Gültigkeit und steht über dem besonderen Recht des Eigentums; alles ist ihm untergeordnet. Der Einzelne hat die Pflicht, für sein Wohl und das Wohl anderer zu sorgen. Doch bleibt die Pflicht allein um der Pflicht willen eine abstrakte, leere Formel, solange sie nicht in konkrete Sittlichkeit übergeht. Kants Gesetz, die eigene Handlung so auszurichten, dass sie als allgemeine Handlungsmaxime gelten könnte, ist daher kein festes Prinzip, sondern im Grunde inhaltslos. Das abstrakte Gute, das man will, ist keine objektive Wahrheit, sondern bestimmt durch subjektive Überzeugung.
Die Stufen der Sittlichkeit: Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat
Das abstrakte Gute wird lebendig und bekommt Gestalt in den sittlichen Gesetzen, die ihre Geltung allein dadurch erhalten, dass sie existieren. Sie sind für das Individuum nichts Fremdes, keine abstrakte, von außen auferlegte Beschränkung, sondern Teil seines eigenen Wesens, naturgegeben und mit seiner Wirklichkeit identisch. Das Sittliche, das in Sitte und Tradition zum Ausdruck kommt, durchdringt sein ganzes Dasein. Die Pflicht, im Geist der zur Wirklichkeit gewordenen Sittlichkeit zu handeln, befreit den Menschen aus der Abhängigkeit von seinen natürlichen Trieben und seiner unbestimmten Subjektivität und gewährt ihm wahre, substanzielle Freiheit.
„Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ (S.19)
In der Familie findet der Geist der Sittlichkeit seinen natürlichen, unmittelbaren Ausdruck. Der Einzelne ist nicht mehr eine Person für sich, sondern befreit sich aus der Selbstbeschränkung und geht in der Gemeinschaft auf. Die Mitglieder einer Familie sind durch Liebe, Zutrauen und Gehorsam fest miteinander verbunden. Die Erziehung der Kinder hat das Ziel, diese als selbstständige Persönlichkeiten aus dem Familienverband in die bürgerliche Gesellschaft zu entlassen. Die Gesellschaft aber erzeugt viele voneinander gesonderte Bedürfnisse und zielt auf unendliche Verfeinerung und Vervielfältigung. Das Mittel, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, ist die Arbeit. Die Arbeitsteilung bringt Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten. Indem der Einzelne für sich selbst produziert und erwirbt, tut er dies auch für andere. Die ungleiche Verteilung geistiger und körperlicher Fähigkeiten sowie die ungleiche Vermögens- und Bildungsverteilung führen zu einer Differenzierung, die sich im System der Stände widerspiegelt.
„Im freien Willen hat das wahrhaft Unendliche Wirklichkeit und Gegenwart, – er selbst ist diese in sich gegenwärtige Idee.“ (S.45)
In der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Verhältnissen und Verwicklungen tritt das Recht an sich in die Form des Gesetztseins, das heißt, es wird zum Gesetz. Das abstrakte Eigentums- und Persönlichkeitsrecht des Einzelnen wird so als allgemeiner Wille anerkannt. Seine Verletzung ist nicht nur eine private, sondern eine allgemeine Angelegenheit. Die Bestrafung der Verletzung erfolgt durch eine öffentliche Macht, nämlich das Gericht. Die bürgerliche Gesellschaft muss den Selbsterhalt und das Wohl des Einzelnen durch eine von außen gesetzte Ordnung schützen. Sie entreißt das Individuum seinen familiären Bindungen, entfremdet es und unterwirft es der eigenen Willkür. Sie bringt es durch Rechte und Ansprüche, die sie ihm gewährt, in ihre Abhängigkeit. Als Folge fortschreitender Industrialisierung und Arbeitsteilung konzentriert sich der Besitz in wenigen Händen und führt zu Not und Vereinzelung bei der arbeitenden Klasse. Diese verliert das Gefühl für das Recht und die Würde, die darin besteht, durch eigene Arbeit existieren zu können, und sinkt zum Pöbel herab. Einen gewissen Ausgleich gegen die Isolierung in den vielfältigen Arbeitszweigen und Lebenswelten der bürgerlichen Gesellschaft bieten die Korporationen, die die Funktion der Familie übernehmen und sich um die besonderen Nöte und Interessen ihrer Mitglieder kümmern. Neben der Familie sind die Standeskorporationen die zweite sittliche Wurzel, die das Disparate der bürgerlichen Gesellschaft mildern und auf denen der Staat sich gründet.
Der Staat als vernünftige Wirklichkeit
Im Staat erhält die Idee der Sittlichkeit konkrete Gestalt. Wer sagt, die Bestimmung des Staates sei es, den Bürgern Sicherheit und Schutz ihrer Eigentums- und Freiheitsrechte zu gewähren, verwechselt Staat und bürgerliche Gesellschaft. Deren höchster Zweck nämlich ist das Interesse der Einzelnen, während der Staat objektiver, zur Wirklichkeit gewordener Geist ist. Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft zu sein, hat etwas Beliebiges – Mitglied eines Staates zu sein, ist dagegen höchste Pflicht und Bestimmung des Menschen. Individuum und Allgemeinheit, das Substanzielle und das Besondere durchdringen einander in einer organischen Einheit, der Privatwille und der Allgemeinwille gehen ineinander über – darin besteht die Vernünftigkeit des Staates. Sein Ursprung und seine äußere Erscheinungsform sind dabei zufällig und nebensächlich.
„Das wahrhafte Gewissen ist die Gesinnung, das, was an und für sich gut ist, zu wollen; es hat daher feste Grundsätze; und zwar sind ihm diese, die für sich objektiven Bestimmungen und Pflichten.“ (S.134)
Rousseau hatte Recht, als er den Willen als Grundprinzip des Staates ausmachte, doch bei ihm vereinigen sich die Einzelwillen per Vertrag bewusst zu einem Gemeinwillen. Ausdrückliche Zustimmung oder willkürliche Meinungen sind nicht die Grundlage des Staates, der objektive Wirklichkeit und Notwendigkeit, absolute Autorität und göttlicher Wille ist – ob das nun vom Einzelnen erkannt und gewollt wird oder nicht. Seine innere Stärke erhält der Staat dadurch, dass er Pflichten und Rechte vereinigt. In der Pflichterfüllung findet das Individuum Befriedigung und Selbstbewusstsein, das allgemeine Interesse ist zugleich sein besonderes Interesse. Für den Einzelnen ist der Staat nichts anderes als er selbst, und in diesem Bewusstsein ist er frei.
Staatliche Organisation
Die Organisation des Staates, seine politische Verfassung, ist organisch gewachsen. Die notwendige Gewaltenteilung in Gesetzgebungs-, Regierungs- und fürstliche Gewalt zielt nicht – wie oftmals behauptet – auf eine absolute Selbstständigkeit der Gewalten im Verhältnis zueinander, denn das würde Feindschaft, Konkurrenz und letztlich Zerstörung des Staates bedeuten. Vielmehr bilden sie eine lebendige Einheit, wie sie am besten in der historisch gesehen jungen Staatsform der konstitutionellen Monarchie verwirklicht ist. Diese vereinigt Momente der Monarchie, Aristokratie und Demokratie, wenngleich das nur historische Bedeutung hat und für die Idee des Staates irrelevant ist. Ebenso ist die Frage, wer die Verfassung machen soll, sinnlos: Die Verfassung ist nichts Gemachtes, sondern etwas an sich Seiendes, Göttliches, Beharrendes. In ihr drückt sich der Geist des Volks aus.
„In der Pflicht befreit das Individuum sich zur substantiellen Freiheit.“ (S.158)
Die abstrakte Individualität des Staates wird in einem Individuum konkret und wirklich: in der Person des Monarchen. Sein Recht gründet sich auf göttliche Autorität. Dem in neuerer Zeit aufgekommenen Begriff der Volkssouveränität dagegen liegt eine falsche Vorstellung des Volks zugrunde. Ohne einen Monarchen als souveräne und entscheidende Staatsgewalt ist das Volk nichts als eine formlose Masse. Der Monarch, dem die höchste Entscheidung im Staat zukommt, ist durch seine Geburt über Willkür und alle äußeren Bedingungen erhaben und so von Natur aus dazu bestimmt, die Einheit des Staates darzustellen. Die Regierungsgewalt dagegen ist ihrem Wesen nach objektiver. Die Individuen, die die konkreten Geschäfte ausführen, sind nicht durch Geburt dazu bestimmt, sondern durch ihre Fähigkeiten. Die Möglichkeit dazu steht prinzipiell jedem Bürger offen.
„Die sittliche Substanz, als das für sich seiende Selbstbewußtsein mit seinem Begriffe geeint enthaltend, ist der wirkliche Geist einer Familie und eines Volks.“ (S.162)
Der Staat besteht nicht einfach aus einer Ansammlung von vielen, er ist ein organisch gewachsenes, in Kreise gegliedertes Ganzes. Mitglied eines Staates ist man nur als Mitglied eines Standes, einer Korporation oder einer Gemeinde. In der gesetzgebenden Gewalt kommt der Wille der vielen zum Ausdruck, vertreten durch die ständischen Abgeordneten. Die Funktion der Stände ist es, zwischen der Regierungsgewalt einerseits und der formlosen, ungezügelten Menge mit ihren besonderen Bedürfnissen andererseits zu vermitteln. Es herrscht die verbreitete Vorstellung, das Volk wisse am besten, was gut für es sei, und die Regierung handle stets böswillig. Aber abgesehen davon, dass das Interesse am Wählen allgemein gering ist, hat die Masse nicht die Fähigkeit zu tiefer Erkenntnis und Einsicht in die Vernunft, die den höchsten Staatsbeamten eigen ist. Die Ständeabgeordneten kennen sich in der Sphäre aus, der sie entstammen – etwa Handel oder Industrie –, und repräsentieren deren spezielle Bedürfnisse und Interessen. Die Garantie des öffentlichen Wohls und der Freiheit wird indes nicht durch die Stände gewährleistet, die ja Sonderinteressen vertreten, sondern durch die monarchische Souveränität. Sie steht über allem subjektiven Meinen und Räsonieren, das letztlich die Zerstörung des Staates zur Folge hat.
Das Wirken des Weltgeists
Die Geschichte ist nicht bloß eine Abfolge zufälliger menschlicher Leidenschaften und Bestrebungen. Ebenso wenig folgt sie der abstrakten, vernunftlosen Notwendigkeit eines blinden Schicksals oder einem Plan der Vorsehung, der sich nicht erkennen und begreifen lässt. Vielmehr gelangt in der Weltgeschichte der allgemeine Geist zur Wirklichkeit, der auch in Kunst und Religion, Wissenschaft und Philosophie zum Ausdruck kommt. Staaten, Völker und Individuen in verschiedenen Epochen und Ländern entstehen und vergehen. In ihnen und durch sie aber arbeitet sich der allgemeine Geist nach dem Prinzip von Vernunft und Freiheit von einer Entwicklungsstufe zur nächsthöheren empor.
Liberalismus und Restauration zu Beginn des 19. Jahrhunderts
In ganz Europa diskutierte man Ende des 18. Jahrhunderts über den idealen Staat, der Menschenrechte und die Gleichheit aller vor dem Gesetz sowie Presse-, Eigentums- und Meinungsfreiheit gewähren sollte. In Deutschland war Immanuel Kant ein Wegbereiter des Liberalismus. Er betonte aber stets die Grenzen bürgerlicher Freiheit, lehnte eine Herrschaft des Volks ab und trat für eine aufgeklärte Monarchie ein. Während die Französische Revolution 1789 die Volkssouveränität und in einem bis dahin unerreichtem Maß Eigentums- und Freiheitsrechte durchsetzte, bevorzugten die deutschen Aufklärer eine vernunftgemäße Selbstreform des Absolutismus. Die Herrscher sollten an das Naturrecht gebunden sowie auf den Staatszweck verpflichtet werden und bürgerliche Freiheiten garantieren. Als Musterland galt vielen Intellektuellen Preußen, das um 1818 – als Hegel nach Berlin kam – der am weitesten aufgeklärte Staat in Deutschland war. So hatte Preußen bereits 1740 die Folter und 1749 die Enteignung von Bauern durch Gutsherren verboten, es gewährte seinen Bürgern Religionsfreiheit und förderte Handel und Wirtschaft. Als preußische Minister setzten Karl vom und zum Stein und Karl August von Hardenberg ab 1807 zahlreiche Reformen durch, um einer gefürchteten Revolution zuvorzukommen.
Nach Napoleon Bonapartes Sturz drängten die europäischen Mächte auf dem Wiener Kongress 1814/15 darauf, die alte, vorrevolutionäre Ordnung wiederherzustellen. Unter Friedrich Wilhelm III. wurde der preußische Reformeifer deutlich gebremst, die Pressezensur wurde wieder eingeführt und die Überwachung der Universitäten vorangetrieben. Gegen diese restaurativen Tendenzen richteten sich die studentischen Proteste, die auf dem Wartburgfest in Eisenach 1817 einen Höhepunkt fanden. In teils stark emotional gefärbten, romantisch überspannten Reden riefen Teilnehmer zur Realisierung der deutschen Einheit und zur Abschaffung aller Feudalprivilegien auf. Mitglieder der Jenaer Burschenschaft forderten unter anderem Eigentums-, Meinungs- und Pressefreiheit und die Gleichheit aller vor dem Gesetz – liberale Grundpositionen der Französischen Revolution. Die Proteste gipfelten in der Verbrennung von als reaktionär und antideutsch geltenden Büchern, darunter das Werk des Dichters August von Kotzebue. Dessen Ermordung durch den Theologiestudenten Karl Ludwig Sand führte 1819 zu den Karlsbader Beschlüssen und zur strengen Überwachung der Universitäten.
Entstehung
Hegel begann seine Arbeit an den Grundlinien der Philosophie des Rechts vermutlich im Frühjahr 1819. In seiner Vorrede, in der er klagte, die Zeitgenossen argumentierten nicht mehr aufgrund von Begriffen, sondern nur aus Gefühlen und Leidenschaft heraus, bezog er sich unmittelbar auf den radikalen Flügel der Studentenbewegung. Einen ihrer Wortführer, den Jenaer Professor und Kantianer Jakob Friedrich Fries, der auf dem Wartburgfest als Redner aufgetreten und Lehrer des Attentäters Sand gewesen war, nannte er gar den „Heerführer dieser Seichtigkeit“. Dem gefühlsbetonten „Geschwätz“ setzte Hegel seine auf Begriffen und Vernunft beruhende, systematisch ausgearbeitete Staatslehre entgegen, die ihm auch als Leitfaden für seine Vorlesungen und Seminare dienen sollte.
Schon als Professor in Heidelberg hatte Hegel öffentliche Vorlesungen zur politischen Philosophie gehalten, in denen er seine in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1817) umrissenen Vorstellungen zu veranschaulichen versuchte. Ein Jahr nach dem Erscheinen dieses Werks ging er Johann Gottlieb Fichtes Nachfolger an die neu gegründete Berliner Universität, wo er seine populären Vorlesungen fortsetzte. Sie wurden nicht nur von Studenten und Kollegen, sondern auch von Staatsbeamten besucht. In Berlin fand Hegel nach den familiären und beruflichen Wirren der vorangegangenen Jahre auch erstmals Zeit und Ruhe, die verschiedenen Vorlesungsmanuskripte zur Rechts- und Staatsphilosophie zu einem eigenständigen Buch zusammenzufassen. Es erschien im Jahr 1821 in Berlin.
Wirkungsgeschichte
Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts lösten eine zwiespältige Wirkung aus. Arthur Schopenhauer etwa urteilte rundheraus, Hegels Rechtsphilosophie bestehe größtenteils aus Unsinn. Dennoch beeinflusste das Werk über den Linkshegelianismus die politische Theorie des jungen Karl Marx ebenso wie über den Rechtshegelianismus die Apologeten bestehender Ordnung und eines starken, autoritären Staates. Im 20. Jahrhundert tat sich Karl Popper als Hegel-Kritiker hervor und wollte in dessen Rechtstheorie sogar eine Ursache für die Entstehung des Nationalsozialismus sehen. In den 1980er-Jahren beriefen sich angloamerikanische Philosophen und Vertreter des Kommunitarismus, vor allem der Kanadier Charles Taylor, auf Hegels Konzept vom Staat als gewachsener Gemeinschaft.
FAQs
Grundlinien der Philosophie des Rechts von Georg Wilhelm Friedrich Hegel — Gratis-Zusammenfassung? ›
Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts sind die systematische Zusammenfassung seines rechts- und staatsphilosophischen Denkens. Inhalt: Der Staat ist nicht eine individualistisch geprägte bürgerliche Gemeinschaft zur Sicherung abstrakter Rechte, sondern eine organisch gewachsene Einheit.
Was ist Dialektik Hegel? ›Bei Hegel ist die Dialektik die der Metaphysik entgegengesetzte Methode der Erkenntnis, zugleich die innere Gesetzmäßigkeit der Selbstbewegung des Denkens und der Selbstbewegung der Wirklichkeit.
Was hat Hegel gemacht? ›Einig ist man sich aber darin, dass Hegel der erste Philosoph war, der die Dimension der Veränderung, des "Werdens", in seiner ganzen Tragweite erkannt und bearbeitet hat.
Ist Hegel schwer zu lesen? ›Vor 250 Jahren, am 27. August 1770, wurde der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel geboren. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten und wirkungsmächtigsten Philosophen überhaupt. Aber auch als einer der am schwersten zu verstehenden.
Warum sagt man Hegel? ›In anderen Kantonen wird das stark verbreitete Wort laut Idiotikon für ein grobes, einfaches Messer verwendet. Ein solches trugen Bauern für das Erstellen und Flicken geflochtener Holzzäune mit sich; so dürfte der «Hegel» vom «Hag» abstammen, wie dem «Zürichdeutschen Wörterbuch» des Verlags NZZ Libro zu entnehmen ist.
Was heißt es dialektisch zu denken? ›EINE DEFINITION
Unser Verständnis des dialektischen Denkens (DT) ist eine komplexere Art des Denkens als das logische Denken. Ein Hauptunterschied zum logischen Denken besteht darin, dass die DT den Widerspruch und die Spannung zwischen Gegensätzen als eine Schlüsseleigenschaft aller Dinge betrachtet.
Hegelsche Dialektik
Das menschliche Leben hat ebenso Prozesscharakter wie die Natur und die Geschichte. Dieser Prozess ist nicht willkürlich oder zufällig aneinandergereiht, sondern folgt einem logischen Bewegungsprinzip, der sogenannten Dialektik. So folgt auch die Geschichte der Menschheit einer inneren Logik.
„Die Wahrheit zeigt sich bei Hegel als Resultat eines Denkprozesses, der erst mal durch alles Falsche und Halbwahre laufen, das konsequent zu Ende denken und kritisch prüfen muss. “ Was vernünftig ist, kann nach Hegels Auffassung nicht abstrakt bestimmt werden, sondern muss sich im Gang der Geschichte zeigen.
Was denkt Hegel? ›Nicht nur in Preußen steht der Name Hegel für ein Denken, das die gesamte Spannbreite der menschlichen Vernunft, der Moral, des Rechts, der Religion, der Kunst, der Politik und der Geschichte umfasst. Was viele fasziniert, ist auch seine Dreiteilung des menschlichen Geistes, das heißt der menschlichen Vernunft.
Was bedeutet das Wort Hegel? ›"Hegel" kommt aus der alten Münsteraner Händlersprache, dem Masematte. Es bedeutet eigentlich nur "Mann" ist aber über die Zeit ein Synonym für Idiot geworden.
Warum jetzt Hegel lesen? ›
Die Phänomenologie des Geistes beginnt mit der sogenannten "sinnlichen Gewissheit", denn Hegel will die Erfahrung des Lesens mit dem einsetzen lassen, was scheinbar am unzweifelhaftesten ist – mit der sinnlichen Wahrnehmung.
Ist Hegel noch aktuell? ›Georg Wilhelm Friedrich Hegel wurde am 27. August 1770 geboren und starb am 14. November 1831 in Berlin.
Was ist Freiheit für Hegel? ›Laut Hegel ist Freiheit untrennbar mit Vernunft verknüpft - bei den gegenwärtigen Kontaktsperren könne man nicht von massiven Einschränkungen von Freiheit sprechen, sondern von einer zeitweiligen, der Notsituation angemessenen Begrenzung bestimmter Rechte.
Ist die Idee nach der Seite der Existenz Hegel? ›— Das Ideal ist die Idee nach der Seite der Existenz betrachtet, aber als eine solche, die dem Begriff gemäß ist. Es ist also das Wirkliche in seiner höchsten Wahrheit. — Im Unterschiede von dem Ausdruck Ideal nennt man Idee mehr das Wahre, nach der Seite des Begriffs betrachtet.
Wann hat Hegel gelebt? › Was vernünftig ist das ist wirklich und was wirklich ist das ist vernünftig? ›„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig. “ Vernunft und Wirklichkeit werden ausdrücklich gleichgesetzt. Das Wirkliche ist vernünftig, weil es aus seinem Begriff hervorgegangen ist.
Was ist Hegels Weltgeist? ›Der Begriff Weltgeist als metaphysisches Prinzip ist zunächst bekannt als Zentralbegriff der spekulativen Philosophie Hegels: Für ihn ist die gesamte historische Wirklichkeit, die Totalität, der Prozess des Weltgeistes.
Hatte Hegel Kinder? ›Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Wann ist Hegel geboren? › Wie ist Hegel gestorben? ›Hegel starb 1831. Es werden zwei Todesursachen genannt: Mehrheitlich heißt es, er sei an der in Berlin wütenden Cholera-Epidemie gestorben. Jüngere Forschungen vertreten jedoch auch die Ansicht, Hegel „starb […] wahrscheinlich an einem chronischen Magenleiden und nicht an Cholera, wie die offizielle Diagnose lautete“.
Wo ist Hegel geboren? ›
Was sagen Philosophen zur Freiheit? ›Bei Sokrates und Platon ist der Mensch frei, wenn er mittels Vernunft das Beste wählt - die Vernunft leitet den Menschen so zum Guten. Auch bei Descartes wächst die Freiheit mit der Zunahme der geistigen Klarheit über die Willensziele. Die Selbstbestimmung und die Autonomie stehen hier im Mittelpunkt.
Wer sagte Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit? ›Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit.
Dieser Ausspruch findet sich in Friedrich Engels' Schrift Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, dem so genannten Anti-Dühring.
Das Werden ist in Hegels dialektischer Logik die Einheit von Sein und Nichts. „Das Nichts ist als dieses unmittelbare, sich selbst gleiche, ebenso umgekehrt dasselbe, was das Sein ist. Die Wahrheit des Seins sowie des Nichts ist daher die Einheit beider; diese Einheit ist das Werden. “
Was sagt Hegel? ›„Die Wahrheit zeigt sich bei Hegel als Resultat eines Denkprozesses, der erst mal durch alles Falsche und Halbwahre laufen, das konsequent zu Ende denken und kritisch prüfen muss. “ Was vernünftig ist, kann nach Hegels Auffassung nicht abstrakt bestimmt werden, sondern muss sich im Gang der Geschichte zeigen.
Was ist die Dialektik von Gut und Böse? ›Wie können Sie die Methode der Dialektik nun auf Gut und Böse anwenden? Das ist einfach: Gut und Böse sind an sich schon Gegensätze. Weil das Gute für Menschen erstrebenswert ist, könnten Sie die These aufstellen: "Jeder will das Gute". Eine Antithese könnte lauten: "Es gibt viel Böses auf der Welt".
Was ist der Weltgeist bei Hegel? ›Der Weltgeist ist der Zentralbegriff in der Philosophie Hegels. Für Hegel ist die gesamte historische Wirklichkeit, die Totalität, ein Prozess dieses Weltgeists. Durch diesen Weltgeist realisiere sich der Zweck in der Weltgeschichte und zwar die Vernunft in der Weltgeschichte.
Was für ein Hegel? ›"Hegel" kommt aus der alten Münsteraner Händlersprache, dem Masematte. Es bedeutet eigentlich nur "Mann" ist aber über die Zeit ein Synonym für Idiot geworden.
Was denkt Hegel? ›Nicht nur in Preußen steht der Name Hegel für ein Denken, das die gesamte Spannbreite der menschlichen Vernunft, der Moral, des Rechts, der Religion, der Kunst, der Politik und der Geschichte umfasst. Was viele fasziniert, ist auch seine Dreiteilung des menschlichen Geistes, das heißt der menschlichen Vernunft.
Hat Hegel an Gott geglaubt? ›Für Hegel ist Gott oder die Wahrheit nicht nur nichts Vages, vielleicht Existierendes. Die Wahrheit oder Gott ist nicht nur existend und wirklich, sondern das im eigentlichen Sinne Existierende und Wirkliche.
Was versteht Hegel unter Freiheit? ›
„Bei Hegel bedeutet Freiheit, dass ich in einem anderen bei mir selbst sein kann – etwa in einer Gemeinschaft der Freundschaft, der Liebe, oder in größeren Gemeinschaften, in denen ich bei mir selbst sein kann, die ich als vernünftige ansehen kann, etwa Gesellschaften oder Staaten.
Was bedeutet Dialektik die dialektische Aufhebung von Gegensätzen im Hegel schen Sinn? ›Die dialektische Aufhebung ist ein zentraler Begriff der Philosophie G. W. F. Hegels. Er bezeichnet den Vorgang der Überwindung eines Widerspruchs, wobei die positiven, wertvollen Elemente erhalten und fortgeführt werden und die negativen entfallen.
Was ist eine dialektische Auseinandersetzung? ›Bis heute gilt für die dialektische Methode, dass sich das Denken in Widersprüchen vollzieht und auf übergreifende Zusammenhänge zielt. Die besondere Aufgabe besteht darin, nicht nur widerstreitende Thesen zu finden, sondern eine Synthese zu formulieren, welche die vorausgegangenen Thesen „aufhebt“.
Was ist eine dialektische Spannung? ›Dialektisch betrachtet ist Stabilität als Ausgangspunkt und damit als These zu setzen. Die Dynamik beschreibt den Widerspruch und die Antithese. Wie in jeder Dialektik, so liegt auch in der Spannung zwischen Stabilität und Dynamik die auf einen Ausgleich hin wirkende Kraft.
Wie ist Hegel gestorben? ›Hegel starb 1831. Es werden zwei Todesursachen genannt: Mehrheitlich heißt es, er sei an der in Berlin wütenden Cholera-Epidemie gestorben. Jüngere Forschungen vertreten jedoch auch die Ansicht, Hegel „starb […] wahrscheinlich an einem chronischen Magenleiden und nicht an Cholera, wie die offizielle Diagnose lautete“.
Wer hat gesagt Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit? ›Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit.
Die Erkenntnis hatte Engels beim Philosophen Hegel aufgegriffen und im Anti-Dühring verarbeitet: „Hegel war der erste, der das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit richtig darstellte. Für ihn ist die Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit.
Das Werden ist in Hegels dialektischer Logik die Einheit von Sein und Nichts. „Das Nichts ist als dieses unmittelbare, sich selbst gleiche, ebenso umgekehrt dasselbe, was das Sein ist. Die Wahrheit des Seins sowie des Nichts ist daher die Einheit beider; diese Einheit ist das Werden. “
Ist die Idee nach der Seite der Existenz Hegel? ›— Das Ideal ist die Idee nach der Seite der Existenz betrachtet, aber als eine solche, die dem Begriff gemäß ist. Es ist also das Wirkliche in seiner höchsten Wahrheit. — Im Unterschiede von dem Ausdruck Ideal nennt man Idee mehr das Wahre, nach der Seite des Begriffs betrachtet.
Wann hat Hegel gelebt? › Wo ist Hegel geboren? ›